Umdenken beim Küstenschutz gefordert
Angesichts des globalen Klimawandels haben Meeresforscher ein Umdenken beim Küstenschutz an der Nordsee gefordert. Die seit 1000 Jahren übliche Erhöhung von Deichen reiche in Zukunft nicht aus, sagte der Biologe Karsten Reise am Donnerstag auf einer Klimaschutz-Konferenz in Wilhelmshaven. Der immer schnellere Anstieg des Meeresspiegels durch den globalen Klimawandel zwinge in allen Bereichen auch zu futuristischen Überlegungen. So könne ein künstlicher Schwimmhafen in der Nordsee eine Antwort auf höhere Wasserstände in der Deutschen Bucht sein. Der verankerte Offshore-Hafen solle zentraler Umschlagspunkt für große und kleine Schiffe sein.
Bislang seien die Flussmündungen an immer größer werdende Schiffe angepasst worden. Künftig müssten die Flüsse und das Land dem steigenden Meeresspiegel angepasst werden, sagte der Professor für Zoologie, Biologie und Ökologie. «Wir können auf Dauer nicht damit leben, dass das Meer höher ist als das Land. Daher müssen wir mehr Wasser mit all seinen Sinkstoffen in Marschflächen hineinlassen, damit das Land mitwachsen kann.» In diesen Überflutungsgebieten sollten Häuser auf Anhöhen stehen und Straßen angehoben werden.
Vor den Deichen könne im Wattenmeer Sand aufgespült werden. Dazu müssten gewaltige Sandmengen aus der tieferen Nordsee in die Wattgebiete transportiert werden, um dort dynamische Ufer, Sandbänke und Böschungen zu gestalten. Die Folgen dieses Eingriffes sind für Reise weniger gravierend als der steigende Meeresspiegel: «Als Bewohner der Küsten muss ich gegensteuern - oder irgendwann in den Harz umziehen.»
Nach Ansicht des Wilhelmshavener Meeresforschers Burghard Flemming sind die vom Rheindelta und der Ems bekannten Sturmflutschleusen auch an den Unterläufen von Weser und Ems unumgänglich. Als Ausgleichsmaßnahmen wären künstliche Gezeitenbecken mit durch Schleusensysteme kontrollierten Wasserständen denkbar.
Die Umweltstiftung WWF sieht in Sandaufspülungen aus der offenen Nordsee ein besseres Mittel für den Küstenschutz als den bisher üblichen Bau von Buhnen und Dämmen aus Stein. In Zukunft könne es auch erforderlich sein, dem Wattenmeer wieder mehr Raum durch eine weniger starre Grenze zu geben und Sommerpolder (Überflutungsgebiete) zu öffnen. Der Verband sprach sich gegen den Ausbau der Ölförderung im Wattenmeer aus. «Es ist absurd, ausgerechnet dort einen Klimakiller zu fördern, wo die Folgen des Klimawandels besonders schnell spürbar sind», erklärte WWF-Wattenmeerexperte Hans-Ulrich Rösner.