U-Boot-Bergung soll erzwungen werden

Mit «zivilem Ungehorsam» bis hin zum Anketten auf See wollen Norweger die Hebung des mit 65 Tonnen Quecksilber gesunkenen deutschen Kriegs-U-Boot U-864 erzwingen. Mitte der Woche hat sogar der Bergener Chef des Schifffahrtsamtes, Magne Rødland, persönliche Protestaktionen gegen die von der Regierung beschlossene Einbetonierung des mit modernster Nazi-Kriegstechnologie als geheimer Fracht untergegangenen U-Bootes angekündigt: «Irgendwann kommt das Quecksilber durch den Grund aus Lehm und Sand doch heraus. Ich werde mich an den Protesten beteiligen, auch wenn ziviler Ungehorsam eigentlich nicht so meine Ding ist.»

Das Osloer Fischereiministerium hatte sich im Februar für die komplette Einbetonierung des drei Monate vor Kriegsende durch britische Torpedos versenkten U-Bootes U-864 verfügt. Eine Bergung des in drei Teile zerfallenen Wracks sei zu aufwendig und auch zu gefährlich, hieß es. Seit dieser Entscheidung aber laufen vor allem die Bewohner der Ferien-Insel Fejde, zunehmend aber auch Parlamentsparteien, der Fischereiverband und Meeresbiologen Sturm gegen diese Entscheidung. Sie berufen sich auch auf Aussagen heimischer und niederländischer Bergungsspezialisten, wonach die U-864 ohne Probleme aus 150 Meter Tiefe an die Meeresoberfläche gebracht werden könne.

Das Wrack wurde erst 2003 zwei Seemeilen vor Fedje ausfindig gemacht. Das 87,5 Meter lange und 1400 Tonnen schwere U-Boot vom Typ IX D2 hatte am 7. Februar 1945 Bergen mit Japan als Ziel verlassen. Die Nazi-Kriegsstrategen wollten auf dem noch neuen U-Boot in letzter Stunde geheime Kriegstechnologie zum Bau neuer Flugzeuge ins verbündete Japan schaffen. Wegen der Verfolgung durch ein britisches U-Boot gab der Kapitän aber das Kommando zum Wenden und nahm wieder Kurs auf Bergen.

Kurz vor der Einfahrt in die schützenden Fjorde wurde die U-864 vom britischen U-Boot «HMS Venturer» geortet und mit vier Torpedos versenkt. Alle 70 Besatzungsmitglieder und 3 Mitreisende kamen ums Leben. Die «Venturer» war gezielt zur Jagd auf die U-864 ausgelaufen, nachdem britische Spezialisten im Abhörzentrum Bletchley Park deutsche Funksprüche abgefangen und entschlüsselt hatten.

Norwegische Umweltschützer und betroffene Anwohner interessieren sich aber weniger für «legendäre» Kriegsgeschichten als für akute Umweltgefahren. Die Katastrophe durch quecksilberhaltige Abwässer in der kleinen japanischen Stadt Minamata 1956 mit mindestens 3000 Opfern unter anderem durch Nervenschäden, schwere Missbildungen auch bei Nachkommen kennen auf Fejde in Norwegen inzwischen alle Mitglieder der «Volksbewegung zur Hebung der U-864» im Detail.

Stärker ins Gewicht als Fackelzüge, Protestbesuche im Osloer Parlament «Storting» und die Ankündigung von aktivem Protest auch auf See dürfte die zunehmende Zahl der Expertenstimmen gegen die Einbetonierung und für die viel teurere Hebung fallen. «In den Fachkreisen, mit denen ich zu tun habe, schütteln doch alle mit dem Kopf über die Einbetonierung», sagte Rødland, Bergens oberster Aufsichtsbeamter für die Schifffahrt, im Rundfunksender NRK. Sein Osloer Chef Rune Teisrud rügte diese Äußerung als «nicht ganz so vorsichtig, wie es angemessen wäre». Beifall gab es erwartungsgemäß aus der «Volksbewegung». «Wir müssen auch an Norwegens guten Ruf beim Fischfang denken», meinte Reidun Moldøen von «Hebt die U-864».

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