Koggen-Treffen in Wismar
Den Wetterbericht verfolgt Joachim Müller jetzt beinahe stündlich. «Zu viel Wind darf auch nicht sein», meint der ehemalige Werftarbeiter aus Wismar. Seinen Ruhestand verbringt der Schiffbauer im Ehrenamt auf einem historischen Lastensegler - der Replik einer 650 Jahre alten Hansekogge. Vor zehn Jahren hatten Fischer das mittelalterliche Wrack vor Poel in der Wismarbucht entdeckt. Mehr als fünf Jahre dauerte der originalgetreue Nachbau des 31 Meter langen Holzschiffes, das als «Wissemara» im Juni 2007 seine Jungfernfahrt auf der Ostsee absolvierte. Der Förderverein als Schiffsbesitzer lädt Anfang August zum großen Koggentreffen in den Alten Hafen Wismar.
An dem Spektakel (3. bis 5. August) werden fünf historische Schiffe beteiligt sein, teilte das Wismarer Hansekontor als Veranstalter mit. Neben der «Wissemara» laufen die «Hansekogge Kiel», die «Roland von Bremen», die «Ubena von Bremen» sowie die Kraweel «Lisa von Lübeck» - ein glatt beplanktes mittelalterliches Schiff - ein. Es wird Ausfahrten und Bordbesichtigungen, Mitfahrgelegenheiten, einen maritimen Markt und ein großes Bühnenprogramm geben, sagt Norbert Bosse, Geschäftsführer des Hansekontor. Die Wismarer Kogge reist zum Treffen direkt aus dem Ostseebad Sellin auf Rügen an, wo sie den Juli über für die Gemeinde zu Gästefahrten in See stach.
Der Törnplan der «Wissemara» sei bis September nahezu ausgelastet, sagt Joachim Müller vom Vorstand des Fördervereins «Poeler Kogge». Highlights wären die Hanse Sail Rostock (9. bis 12. August) und das Schwedenfest Wismar (17. bis 19. 08.). Allerdings müsse der insgesamt 2,8 Millionen Euro teure Koggennachbau übers ganze Jahr ausgelastet werden, um ihn finanziell dauerhaft in ruhiges Fahrwasser zu bringen, gibt Müller zu bedenken. Jedes Jahr müssten vom Verein rund 150 000 Euro eingefahren werden, um ein Darlehen bedienen und die nötigen Pflegearbeiten durchführen zu können. «So ein Holzschiff wird nie fertig, das Material arbeitet, da ist immer viel Aufwand zum Erhalt nötig», erklärt Schiffbauer Müller.
Allein in diesem Frühjahr musste bereits der dreiflüglige Propeller des 218 Tonnen schweren Bootes gegen einen mit sieben Flügeln ausgetauscht werden, um dem Strömungsverhalten der bauchigen Kogge besser zu entsprechen. Kosten: 12 000 Euro. Dies sei nun mal der Preis für das «Zusammenspiel von moderner Maschinentechnik mit einem Schiff uralter Bauweise», erklärt Müller. Für die Kogge hatten Beschäftigte einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und Ein-Euro-Jobber 130 Tonnen Kiefernholz, 30 000 handgeschmiedete Nägel und jede Menge Wurzelteer in alten Handwerkstechniken verbaut. Die Ruderpinne wurde aus gebogenem Eichenholz gefertigt, für den 32 Meter hohen Mast eine Douglasie aus dem Harz verwandt. Das Segel misst 276 Quadratmeter, das Tauwerk insgesamt anderthalb Kilometer.
Die Kogge, betreut von einer ehrenamtlichen Mannschaft alter Seemänner unter Kapitän Udo Kempf, solle nun richtig an Fahrt gewinnen, meint Müller. Neben der Teilnahme an sommerlichen Segler-Events und Hafentagen sowie der Vermietung für Jubiläen und Feiern sollen von 2008 an auch mehrtägige Jugendtörns organisiert werden. Doch auch die Wissenschaft könne in See stechen. Schließlich hätten Archäologen mit dem Poeler Wrack eine ganz spezielle Schiffsform entdeckt - die baltische oder Mecklenburger Kogge mit doppelter Ladekapazität der Nordsee- oder «Kieler Koggen». Daher werde jetzt mit der Universität Greifswald eine Vereinbarung vorbereitet, nach der Studenten und Akademiker das Schiff zu wissenschaftlichen Zwecken durch die Ostsee steuern sollen.