"Hoheweg" gehoben - Suche nach Untergangsursache

«Das Deck und die Außenhaut der «Hohe Weg» sind mit Seepocken und einer glitschigen Algenschicht bedeckt. Verbeultes Blech, eingedrückte Scheiben und abgeknickte Masten verstärken den gespenstischen Eindruck. Nach der Bergung des im November gesunkenen Fischkutters haben Experten am Dienstag in Bremerhaven mit der Untersuchung des Wracks begonnen. Während Kriminaltechniker der Polizei nach den sterblichen Überresten des immer noch vermissten 27 Jahre alten Kapitäns suchen, sichern Spezialisten der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) erste Hinweise über die Ursache für das Drama auf hoher See, bei dem vier Menschen ums Leben kamen.

Dutzende Schaulustige drängen sich im Fischereihafen vor der Polizeiabsperrung um das Wrack, das noch an dem Haken des dänischen Schwimmkrans «Samson» hängt. Wie schon kurz nach dem Unglück machen Spekulationen über die Unglücksursache die Runde. Warfen «Monsterwellen» das Schiff um? Kollidierte es mit einem treibenden Container? Waren die Luken nicht richtig verschlossen? «An diesen Spekulationen beteiligen wir uns nicht», sagte der stellvertretende BSU-Direktor Jürgen Albers mit Nachdruck. Für die Seeunfall-Experten zählen nur Fakten und Fachkenntnisse. «Das Wetter allein kann es nicht gewesen sein», sagte Albers. Die Verhältnisse seien damals einem Gutachten und den Aussagen anderer Schiffsbesatzungen zufolge nicht so dramatisch wie zunächst berichtet gewesen: «Da hat die "Hohe Weg" in ihren 30 Jahren Fahrtzeit bestimmt schlimmeres erlebt», so der Experte. Eine Kollision scheidet ebenso aus. Die starken Beulen auf der Steuerbordseite «sind erst nach dem Untergang entstanden».

In den kommenden zwei Monaten hofft Albers die Unfallursache ermittelt zu haben und setzt dabei auf stumme Zeugen des Unglücks an Bord der «Hohe Weg». Elektromechanische Instrumente wie die Uhren, der Kreiselkompass und der Geschwindigkeitsregler sind vermutlich auf den zum Unglückszeitpunkt vorgenommenen Einstellungen stehen geblieben. Später soll das Wrack in ein Dock gebracht werden. Dort wollen die Experten ihre Arbeit fortsetzen. Unter anderem wollen sie schauen, ob sich beispielsweise ein Netz in der Schraube verhakt haben könnte und was es mit einem Schlauch auf sich hat, der am Achterschiff vom Deck ins Wasser hängt. Vor den BSU-Experten sind aber noch die Polizeiermittler am Werk.

Fast schweigend durchsuchen sie das Wrack nach Details, jederzeit darauf vorbereitet, etwas Grausiges zu entdecken. Denn der 27 Jahre alte Kapitän gilt noch als vermisst; vielleicht befinden sich seine sterblichen Überreste an Bord. Die Leichen der drei übrigen Besatzungsmitglieder, von denen zwei von der Insel Rügen stammten, waren bereits in den vergangenen Wochen und Monaten in der Nordsee gefunden worden. Trotz dieser bedrückenden Umstände gibt es auch erleichterte Gesichter rund um die Bergung. «Wir sind froh, dass das sehr schwierige Manöver so reibungslos geklappt hat», sagte der Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bremerhaven, Werner Kinkartz. Fast 14 Stunden hatten die Berger aus Cuxhaven und Dänemark am Montag benötigt, die «Hohe Weg» zu heben. Die Behinderungen für den Schiffsverkehr in der Außenweser sind damit beendet. Wenn Polizei und BSU ihre Arbeit abgeschlossen haben, so hoffen die Experten, sind wahrscheinlich auch die Spekulationen um das Drama beendet, das in einer stürmischen Novembernacht vier Menschenleben kostete.

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