Helgolands Leuchtturmwärter hat alles im Blick

Vorbei sind die Zeiten, als mit Holz und Kohle das Leuchtfeuer entzündet wurde, um den Schiffen den Weg durch die Deutsche Bucht zu weisen. «Heute ist es ein Bürojob», sagt Jens Röw. Ihm ist sein Beruf fast anzusehen. Helgolands Leuchtturmwärter ist 1 Meter und 92 Zentimeter groß. Sein Arbeitsplatz misst 28 Meter. Es ist ein eckiger Turm aus rotem Klinker, der in einer saftigen grünen Wiese steht, kurz vor einer steil abragenden roten Klippe aus Buntsandstein. Mensch und Turm wirken beide wie Schlackse in der Landschaft. «Das ist wohl der Arbeitsplatz mit dem schönsten Ausblick in Deutschland, ich kann den Basstölpeln beim Brüten zuschauen», sagt der 37-Jährige.

Auf Deutschlands einziger Hochseeinsel ist Röw eine Berühmtheit - man kennt sich in der 1400-Seelen-Gemeinde. Es ist ein eckiger Bau und nicht ein rot-weißer Rundturm, wie er die Herzen der Seefahrtsromantiker an Nord- und Ostseeküste höher schlagen lässt. Der Turm wurde 1941 als Flackleitstand gebaut. Helgoland war im Krieg wegen seiner militärischen Bedeutung Ziel von alliierten Luftangriffen. Auf dem Oberland blieb nur der Leuchtturm stehen. Leuchtturmwärter ist ein Beruf, der wie so viele einem starken Wandel unterworfen ist. «Den klassischen Leuchtturmwärter gibt es eigentlich gar nicht mehr, ich bin hier als Elektronik-Mechaniker angestellt», erklärt Röw. Er sitzt im Turm im 5. Stock; seit 14 Jahren hat er den Schiffsverkehr im Blick. «Ich bin hauptsächlich damit beschäftigt, die Datenströme hier in der Bucht zu überwachen.» Vor Röw steht ein Bildschirm, auf dem allerlei Schiffsbewegungen - rote, grüne und blaue Linien - zu sehen sind. Mit der Maus klickt er die aktuellen Koordinaten der Schiffe an. «Da ist die Kloar Kimming, die ist gerade in Bremerhaven losgefahren und wird gegen 13 Uhr in Helgoland ankommen.»

Besonders auf Elbe und Weser fahren die großen Containerschiffe dicht an dicht, fast im Konvoisystem. Mit 100 000 Schiffsbewegungen pro Jahr ist die Deutsche Bucht eine der meist befahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt. «Wenn die Containerschiffe noch höher werden, unterbrechen sie unsere Datenübertragung an die Stationen auf dem Festland», weist er auf zukünftige Probleme hin. Der Leuchtturmwärter von heute ist ein moderner «Big Brother», so wie er in George Orwells Buch «1984» beschrieben wird. Allerdings im positiven Sinne - läuft ein Schiff auf Grund, sieht Röw dies sofort am Bildschirm. Von Helgoland sendet er alle Daten an die zuständigen Nautiker der Wasser- und Schifffahrtsämter auf dem Festland. Auf den Turm muss er nur noch einmal täglich raus, mit dem morgendlichen Kontrollgang ist es in der Regel getan. «Jeder Morgen sieht hier anders aus», sagt der Leuchtturmwärter und schaut Richtung Lummenfelsen, wo tausende Vögel brüten. Trotz aller Veränderungen und technischen Herausforderungen - Röws Beruf ist kein Auslaufmodell.

Und manchmal ist der Leuchtturm wie früher der rettende Anker. Besonders für die Sportschifffahrt ist er als Orientierungshilfe weiterhin entscheidend. Denn viele der rund 60 000 deutschen Freizeit-Skipper sind ohne High-Tech unterwegs. Sie haben zwar Navigationssysteme, sind aber nicht doppelt und dreifach gegen Ausfälle abgesichert wie die riesigen Containerschiffe. Wenn beim Auto der «Navi» ausfällt, muss zur Landkarte gegriffen werden. Bei den Freizeit-Skippern ist es ähnlich, ihre Landkarte sind dann Tonnen und das Leuchtfeuer. Aber auch bei der hochtechnologisierten Großschifffahrt ist auf die Elektronik nicht immer Verlass. «Wenn alle Navigationssysteme ausfallen oder die Satelliten aus dem All stürzen, ist der Leuchtturm sehr wichtig», sagt Röw. Mit dem Leuchtfeuer, das heute ein weißes Lichtsignal ist, weist der Helgoländer Leuchtturm den Schiffen den Weg und erleichtert das Umfahren gefährlicher Stellen in der Nordsee. Der 5-Sekunden-Blitz hat eine Reichweite von 28 Meilen. «Die Helgoländer könnten nicht schlafen, wenn ihr Turm nachts nicht mehr blinkt», erläutert Röw.

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