Galileo soll Schifffahrt sicherer machen

«Mann über Bord!» - Bei diesem Kommando wird auf dem Fährschiff «Mecklenburg-Vorpommern» normalerweise Generalalarm für die gesamte Besatzung ausgelöst. Im Hafen von Rostock ist es am Montag allerdings nur eine Übung: Über Bord geht ein leerer Kanister. Gerettet wird der Plastikbehälter von einem experimentellen Rettungskatamaran vom Typ «Delphin». Bei der Übung wird das Gerät noch ferngesteuert, in Zukunft soll es jedoch von echten Schiffbrüchigen ausgesandte Signale des europäischen Satelliten-Navigationssystem Galileo empfangen, um tatsächlich Menschenleben zu retten. Die Reederei Scandlines beteiligt sich mit der «Mecklenburg-Vorpommern» an dem Forschungsprojekt GAMMA, bei dem der Rostocker Hafen als Testfeld für maritime Einsatzmöglichkeiten von Galileo dient.

Such- und Rettungsaktionen sind dabei nur einer von drei geplanten Anwendungsbereichen. Daneben sollen mit Hilfe von Galileo, das einmal dem amerikanischen GPS-System Konkurrenz machen soll, auch Schiffsbewegungen koordiniert und das Be- und Entladen von Schiffen effizienter gemacht werden. Letzteres könnte für die Reeder und Spediteure auch wirtschaftlich von großem Interesse sein.

«Die Schiffe werden immer größer und gleichzeitig die Liegezeiten immer kürzer. Es wird mehr Umschlagtechnik gebraucht, was wiederum die Gefahr von Staus oder Unfällen beim Umschlag wachsen lässt», erklärt Frank Borrmann, Geschäftsführer des Warnemünder Planungs- und Ingenieurbüros Baltic Marine Consult. Mit seinen Kollegen ermittelt er derzeit für das Projekt, wie die Hafenlogistik besser organisiert werden kann.

Galileo soll es laut Borrmann möglich machen, dass per Computer Lastwagen und Trailer exakt koordiniert werden und optimal auf der Fähre verteilt werden. Bislang werden sie gemäß ihrer Position in der Warteschlange verladen. Die dadurch entstehende ungleichmäßige Belastung der Fähre muss dann durch das Verlagern von Ballastwasser ausgeglichen werden. «Dieser Ballast wäre dann nicht mehr nötig, was eine Treibstoffersparnis von bis zu sieben Prozent bringen würde», rechnet Borrmann vor. Der effizientere Umschlag würde zudem Zeit sparen und Fahrpläne verlässlicher machen.

Galileo soll auch dazu beitragen, dass die Schiffe sicher den Hafen erreichen, indem es sie vor Zusammenstößen schützt. «Jährlich gehen weltweit immer noch rund 200 Schiffe nach Kollisionen unter, weil die bisherige Technik zur Vermeidung von Unfällen nicht ausreicht», meint Michael Baldauf, Projektkoordinator am Fachbereich Seefahrt der Hochschule Wismar. «Die Kapitäne schalten ihre Systeme häufig ab, weil sie zu viele Fehlalarme erhalten.» Ziel der Galileo- Anwendungen sei daher, die Kollisionswarnungen zuverlässiger zu machen. Im Hafen soll Galileo das punktgenaue Anlegen erleichtern.

Wenn nicht das ganze Schiff in Gefahr ist, sondern ein Besatzungsmitglied über Bord geht, könnte künftig die «Delphin» eingesetzt werden. Sie würde einen großen Vorteil nutzen, den Galileo im Vergleich zu GPS bieten soll: «Das auf Schiffen eingesetzte GPS ist nur auf hundert Meter genau. Dank Galileo könnte die "Delphin" den zu Rettenden direkt ansteuern», sagt Harro Kucharzewski von der Rostocker MarineSoft Entwicklungs- und Logistikgesellschaft, der den unternehmerischen Teil des Projektes koordiniert. Ein weiterer Pluspunkt von Galileo soll sein, dass das System eine Kommunikation zwischen Sender und Empfänger ermöglicht. «Man könnte so dem Besatzungsmitglied im Wasser mitteilen, dass Hilfe unterwegs ist.»

Bis Mitte 2007 sollen im Rahmen von GAMMA (Galileo Augmented Motion in Maritime Application) rund um den Rostocker Hafen drei bis sechs Sender aufgestellt werden, die die Galileo-Signale probeweise ausstrahlen sollen. Vor dem Start von Galileo, der für 2012 geplant ist, wird zudem in Bayern an der Steuerung und Überwachung der benötigten 30 Satelliten gearbeitet, in Niedersachsen kümmert man sich um Sicherheitsaspekte.

Teilen
Drucken
Nach oben