Fast 60 Tote vor den Kanaren
Bei einer der schlimmsten Flüchtlingstragödien auf der Route zwischen Westafrika und den Kanarischen Inseln sind vermutlich fast 60 Menschen ertrunken. Ihr Boot sei in der Nacht zum Donnerstag rund 170 Kilometer vor der Küste Teneriffas gekentert, als ein Rettungskreuzer die in Seenot geratenen Afrikaner an Bord nehmen wollte, teilten die Behörden in Santa Cruz mit. 48 der etwa 105 Insassen wurden gerettet, die übrigen verschwanden in den Fluten. Zum Zeitpunkt des Unglücks herrschte schwere See mit Sturm und vier Meter hohen Wellen. Für die Vermissten bestehe kaum noch Hoffnung, hieß es. Eine Suchaktion mit mehreren Schiffen und Flugzeugen sowie einem französischen Flugzeugträger blieb auch nach mehreren Stunden ohne Erfolg.
Das vermutlich aus Mauretanien oder dem Senegal kommende Flüchtlingsboot war von einem Flugzeug der Luftwaffe gesichtet worden, wie Spaniens oberster Polizeichef Joan Mesquida erklärte. Als später ein Schiff der Seenotrettung eintraf und damit begann, die Afrikaner an Bord zu nehmen, seien die Insassen so unruhig geworden, dass sie das überfrachtete Boot zum Kentern brachten, wie es weiter hieß. Die Retter warfen den Menschen im Wasser Schwimmwesten zu, doch für viele war es bereits zu spät. Viele der aus Afrika kommenden Flüchtlinge können nicht schwimmen. Die Rettungsaktion sei hoch riskant gewesen, sagte der Präfekt der Kanaren, José Segura. Den Überlebenden gehe es gut.
Im vergangenen Jahr waren 31 000 illegale Einwanderer aus Afrika mit kleinen Booten auf die Kanaren gelangt. Nach Angaben von Hilfsorganisationen bezahlten rund 3000 weitere den Traum von einem besseren Leben in Europa mit dem Leben. Trotz verschärfter Kontrollen im Atlantik haben auch dieses Jahr bereits mehrere Hundert Flüchtlinge die spanische Inselgruppe erreicht. Am Donnerstag gelang es einer Gruppe Algeriern überdies, mit einem Boot auf die Ferieninsel Mallorca zu gelangen. Zehn von ihnen wurden aufgegriffen.
Auch auf der süditalienischen Insel Lampedusa sind am Donnerstag 259 Flüchtlinge auf einem alten Fischerboot gelandet, darunter 16 Frauen. Seit vergangenem Montag sind damit rund 1000 illegale Einwanderer auf der Insel angekommen. Das Aufnahmezentrum, das für 190 Menschen eingerichtet ist, sei völlig überfüllt, berichteten italienische Medien. Über 300 Immigranten sollten deshalb noch am Donnerstag in andere Zentren Italiens geflogen werden. Am Mittwoch waren vermutlich insgesamt 17 Flüchtlinge zwischen Libyen und Süditalien ertrunken, nur fünf der Leichen konnten bisher geborgen werden. Zudem hatten mehrere Immigranten ein tunesisches Fischerboot gekapert und aufgefordert, Lampedusa anzusteuern. Nachdem das Boot die Nacht in internationalen Gewässern gelegen hatte, willigten die Einwanderer am Morgen nach langen Verhandlungen ein, die nordafrikanische Küste anzusteuern.