Ex-Hafenchef vor Gericht

Rund zweieinhalb Jahre nach der Abberufung des langjährigen Sassnitzer Fährhafen-Chefs Andreas Meister hat am Mittwoch vor dem Landgericht Stralsund der Untreue-Prozess gegen ihn begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 50-Jährigen zudem Betrug und das Vortäuschen von Straftaten in insgesamt 24 Tatkomplexen vor.

So soll er die in öffentlicher Hand befindliche Fährhafen- Gesellschaft (FHS) durch unberechtigte Gehaltszahlungen an sich selbst und die unberechtigte Inanspruchnahme von Firmengeldern für Privatzwecke geschädigt haben.

Unter anderem sollen in Kopenhagen und St. Petersburg Prostituierte, deren Dienste Meister in Anspruch genommen habe, mit Geldern der Fährhafen-Gesellschaft bezahlt worden sein. Auch Kosten für Bundeswahlplakate, auf denen für Angela Merkel geworben wurde, soll das CDU-Mitglied im Wahlkampf 2002 aus dem Etat des Fährhafens beglichen haben. Insgesamt ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft in den Jahren 2000 bis 2004 ein Schaden von rund 250 000 Euro entstanden. Die Staatsanwaltschaft brauchte gut eineinhalb Stunden für die Verlesung ihrer Anklage.

Andreas Meister selbst, der sich in seiner Funktion als Fährhafen- Chef als dynamisch agierender Manager präsentierte und der jetzt als Einzelunternehmer tätig ist, zeigte sich im Gerichtssaal zugeknöpft.

Zu den Vorwürfen wollte er sich nicht äußern. Nur seinen Lebensweg erläuterte der gelernte Schiffbautechniker kurz. Stattdessen hielt sein Anwalt Reinhard Daum mit Kritik an der Staatsanwaltschaft nicht hinter dem Berg. Mit der ausführlichen Verlesung der Anklageschrift solle sein Mandant «an den Pranger gestellt» werden, kritisierte er.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Fährhafen- Gesellschaft, die zu zehn Prozent im Besitz des Landes und zu 90 Prozent im Besitz der Stadt Sassnitz ist und seit 1994 mit 87 Millionen Euro öffentlich gefördert wurde, im Juni 2003 vor der Zahlungsunfähigkeit stand. Kapitaldienste an Banken konnten nur noch zu 42 Prozent bedient werden, zitierte Staatsanwalt Karl Huesmann aus der mehr als 60-seitigen Anklageschrift. Die FHS habe jährlich Fehlbeträge in Millionenhöhe ausgewiesen. Trotzdem habe Meister, der laut Anklage seit 1994 rund 23 000 Mark und später rund 12 000 Euro Monatsgehalt bezog, über seinen Arbeitsvertrag hinaus Gelder von den Konten der FHS genommen.

So soll Meister eine ebenfalls angeklagte Prokuristin angewiesen haben, die Arbeitnehmeranteile zu seinen Sozialbeiträgen zu 100 Prozent aus Mitteln des Fährhafens zu begleichen. Allein dadurch sei von Januar 2000 bis zu seiner Abberufung im April 2004 ein Schaden von 73 800 Euro entstanden, sagte Ankläger Huesmann. Zudem soll Meister ein zusätzliches Einkommen als Geschäftsführer der für die FHS tätigen Umschlagsgesellschaft RUC bezogen haben, obwohl sein Arbeitsvertrag für einen solchen Fall die Abführung der Vergütungen an die FHS vorgesehen habe. Mit der Zahlung dieser «erfolgsunabhängigen Aufwandspauschale» zwischen den Jahren 2000 und Anfang 2004 sei ein Schaden von weiteren 83 100 Euro entstanden. In diesen beiden Tatvorwürfen sieht die Staatsanwaltschaft sogar Untreue in besonders schwerem Fall.

Bernd Karbautzki, Hafenarbeiter im Fährhafen Sassnitz, stockte bei der Verlesung der Anklageschrift der Atem. «Das sind Dinge, von denen wir in diesem Umfang nichts wussten», sagte er. Meister beschreibt er als einen schwierigen Chef. «Wer nicht nach seiner Pfeife tanzte, bekam Abmahnungen», sagte er. Insgesamt sieben Abmahnungen habe er von Meister erhalten. «Für Nichtigkeiten», wie er betonte. Die Abberufung Meisters sei der richtige Schritt gewesen. «Jetzt können wir wieder vernünftig arbeiten.»

Besonders erregt war der 52-Jährige über die pikanten Details in der Anklageschrift: So soll Meister im Juli 2003 als Geburtstagsüberraschung einen befreundeten Bauunternehmer zu einer Spritztour mit einem Tieflader über Bornholm eingeladen haben. Die Kosten von rund 1350 Euro für den gecharterten Bus und die Fährüberfahrt für Tieflader und Bus nach Rönne soll die FHS übernommen haben.

Der Prozess soll heute (9.11.) mit der Vernehmung von Zeugen fortgesetzt werden. Unter anderem sollen auch Mitglieder des Aufsichtsrats gehört werden.

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