Cap Anamur wieder auf Kurs

Zwei Jahre nach dem Wirbel um eine umstrittene Rettungsaktion für afrikanische Flüchtlinge im Mittelmeer ist die Kölner Hilfsorganisation Cap Anamur wieder voll auf Kurs. «Wir hatten noch nie so viele Projekte wie derzeit», sagt die kurz nach der Krise gewählte ehrenamtliche Vorsitzende Edith Fischnaller. «Wir sind wieder verstärkt medizinisch ausgerichtet, denn das ist unsere Stärke», betont die Ärztin, die seit gut 20 Jahren für Cap Anamur tätig ist und mehrfach auch in gefährlichen Einsatzgebieten Hilfe leistete. «Wir sind jetzt auch wieder stärker zu unserer Basis zurückgekehrt. Wir gehen vor allem da hin, wo niemand hinsieht.»

Ihrem Vorgänger Elias Bierdel hatten Kritiker eine medienwirksame Inszenierung der Rettungsaktion im Mittelmeer vorgeworfen - kurz nach dem Eklat war er abgewählt worden. Im Juli 2004 hatte das Schiff «Cap Anamur» mit Bierdel an Bord 37 Afrikaner aus Seenot gerettet. Der Frachter mit eingebauter moderner Klinik war beschlagnahmt worden und lag sieben Monate im sizilianischen Hafen Empedocle fest. Bierdel war vorübergehend festgenommen worden, da ihm die italienischen Behörden Begünstigung der illegalen Einwanderung vorwarfen. «Das Schiff mussten wir danach verkaufen, weil wir kein Geld für eine Wiederinstandsetzung ausgeben wollten», sagt Fischnaller.

In den 27 Jahren seit Bestehen des Notärztekomitees rückten mehr als 1000 Ärzte, Pfleger, Krankenschwestern, Techniker, Handwerker oder Sprengmeister zu Einsätzen in alle Teile der Welt aus. Das Prinzip des Gründers Rupert Neudeck - die «radikale Humanität» - ist Leitsatz geblieben: Die Helfer leben unter einfachsten ortsüblichen Bedingungen, unterhalten keine Büros, arbeiten auch in gefährlichen Regionen und bleiben bei allen Strapazen mindestens für ein halbes Jahr. Die Hilfe läuft fernab von Scheinwerfern und Kameras. «Wir sind eine sehr sparsame Organisation und können kein Geld für Öffentlichkeitsarbeit oder Bürokratie ausgeben», betont Fischnaller.

Die derzeit aufwendigsten Projekte laufen in Angola, Liberia und Afghanistan. «In Angola haben wir an der Grenze zu Namibia ein Krankenhaus und ein großes Internat für Nomadenkinder errichtet», sagte die Gynäkologin. Die Organisation erreiche rund 70 000 Nomaden der Region. «Da die Menschen dort sehr stolz sind auf ihre traditionelle Medizin und ihre Heiler, beziehen wir diese in unser Angebot mit ein.» In Cahama in südlichen Angola versorgt Cap Anamur 300 000 Menschen medizinisch.

In Afghanistans Norden unterhalten die Notärzte ein chirurgisches Zentrum mit einer großen Tuberkulose-Klinik, zudem Gesundheitsposten in den Bergen. «Wir gehen überhaupt nicht in die großen Städte, sondern in die schwer erreichbaren Regionen, wo sonst keine Hilfe hinkommt und die Menschen oft ganz besonders leiden. Wir haben auch mehr als 30 Schulen in Afghanistan gebaut, aber immer nur dann, wenn wir auch für Mädchen bauen durften», erzählt die Ärztin, die in Bonn mit einer leiblichen Tochter und einer Adoptivtochter aus Angola lebt. «Die Kinder sind uns besonders wichtig, auch weil sie später Multiplikatoren sind. Ohne Bildung fruchtet auch die Medizin nicht.»

In Liberia gilt ein nach dem Bürgerkrieg wieder in Stand gesetztes Krankenhaus in Bong mit angegliederten Gesundheitsstationen im Umland inzwischen als Vorzeige-Klinik. In Monrovia errichtete Cap Anamur zudem eine Psychiatrie. «In Afrika eine Psychiatrie zu machen, ist schon etwas einmaliges, es läuft wirklich gut.»

Die erste Rettungsaktion für vietnamesische Boatpeople im Südchinesischen Meer mit dem Frachter «Cap Anamur» 1979 war auch die Geburtsstunde der Hilfsorganisation. Bis Mitte der 80er Jahre bewahrten die Aktivisten mehr als 11 000 Flüchtlinge vor dem Ertrinken. Heute sind die Helfer auch in Kenia, Haiti, Uganda, Tschetschenien, Elfenbeinküste oder Indonesien aktiv. Angesichts eines rückläufigen Spendenaufkommens von knapp 3,5 Millionen Euro (2004) und nicht immer ausreichend bereitstehenden Helfern hofft die Organisation wieder auf verstärktes Engagement. «Ich würde mir auch wünschen, dass mehr Menschen sich darauf einlassen, ein halbes Jahr lang anderen zu helfen», sagt Fischnaller. «So ein Einsatz verändert. Alle, die draußen waren, kehren verändert zurück.»

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