Editorial aus Schiff&Hafen 6/2023: Ein sinnvolles Zusammenspiel

Katrin Lau, Chefredakteurin

Seit Mitte April steht es fest: Der Schiffsverkehr wird ab 2024 sukzessive mit in den EU-Emissionshandel aufgenommen werden. Zur endgültigen Verabschiedung fehlt zwar noch die Billigung durch den EU-Ministerrat, diese gilt aber als Formsache.

Der Emissionshandel ist zentrales Element des Fit-for-55-Klimapakets, mit dem die EU ihren CO2-Ausstoß 2030 gegenüber 1990 um 55 Prozent verringern will.

Verbände der Schifffahrts- und Hafenwirtschaft sowie Vertreter aus Industrie und Handel haben die neuen Regeln grundsätzlich begrüßt. Doch was bedeutet die Reform der Richtlinie tatsächlich für die maritime Wirtschaft, was müssen die nächsten Schritte sein und welche Stolpersteine könnten sich gegebenenfalls auftun?

Sehen wir hier wirklich das „größte Klimaschutzgesetz aller Zeiten“, wie es der umweltpolitische Sprecher der EVP im Europäischen Parlament, Dr. Peter Liese, nannte?
Zunächst einmal ist es natürlich zu begrüßen, dass die Schifffahrt in das Handelssystem mit aufgenommen worden ist. Aktuell werden hier immer noch rund drei Prozent der internationalen Kohlenstoffemissionen ausgestoßen, und das Ziel einer großflächigen Nutzung von emissionsfreien Brennstoffen ist noch in weiter Ferne. Das – wie es heißt – „nicht dirigistisch in den Markt eingreifende Instrument“ soll jetzt den Ausstoß klimaschädlicher Emissionen bepreisen. Nach langen Diskussionen mag diesbezüglich nun also ein bisschen mehr Klarheit für die Reederschaft in Deutschland und Europa herrschen.

Ein Teil der durch den Verkauf der zusätzlichen 20 Millionen Zertifikate erzielten Erlöse soll in die maritime Wirtschaft zurückfließen, in einen Innovationfonds, um nicht zuletzt Forschung und Entwicklung zu alternativen Treibstoffen und damit die maritime Energiewende voranzubringen.
Ob die Preise im Seeverkehr durch den Emissionshandel grundsätzlich steigen werden, bleibt abzuwarten.

Der Abschluss der Verhandlungen über die Reform des EU-Emissionshandelssystems folgte gut einen Monat, nachdem sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments auf die neue EU-Verordnung zur Nutzung erneuerbarer und kohlenstoffarmer Kraftstoffe im Seeverkehr, FuelEU Maritime, geeinigt hatten. Diese sieht vor, dass die Treibhausgasintensität der eingesetzten Kraftstoffe ab 2025 bis 2050 schrittweise immer weiter reduziert werden. Ab 2034 ist zudem eine verpflichtende Mindestquote von e-Fuels von zwei Prozent vorgesehen.
Ein sinnvolles Zusammenspiel: auf der einen Seite soll mit der FuelEU Maritime Initiative die Entwicklung und Anwendung von nachhaltigen Brennstoffen gefördert werden; mit den Erlösen aus dem Emissionshandel stehen dazu auf der anderen Seite dringend benötigte Gelder bereit.

Nun kommt es aber auch darauf an, dass die EU-Richtlinie zum Emissionshandel in allen Mitgliedsstaaten möglichst einheitlich umgesetzt wird, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
Die EU hat also ihre Hausaufgaben gemacht und begeht den Weg in Richtung Klimaneutralität weiter mit klaren Vorgaben. Wie sieht es jedoch außerhalb der EU, global und auf IMO-Ebene aus? Besteht die Gefahr, dass Schiffsbetreiber bei Fahrten von Drittländern in die EU bewusst einen Zwischenstopp in einem Hafen der EU-Nachbarschaft einlegen, um damit die Strecke zum oder vom nächstgelegenen Drittstaatshafen, die dem Emissionshandel nur zur Hälfte unterliegen, zu verkürzen? Dies könnte zu mehr Emissionen an bestimmten Orten und zu veränderten Warenströmen führen.

Klar ist: Ohne internationale Vorgaben sind die europäischen Initiativen zwar richtig und wichtig, können aber das globale Geschäft der Seeschifffahrt nur bedingt beeinflussen. Diese Problematik ist nicht neu.

Anfang März hat die IMO verkündet, dass bis Mitte des Jahres eine überarbeitete und verstärkte Strategie zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen von Schiffen eingeführt werden soll. Vielleicht hat sie es damit in der Hand, das „größte Klimaschutzgesetz aller Zeiten“ wirklich voranzutreiben.

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