Editorial aus Schiff&Hafen 07/2024: Bewusstsein schaffen

Katrin Lau, Chefredakteurin

Am 25. Juni beging die maritime Branche auch in diesem Jahr den Internationalen Tag der Seefahrer. Die IMO hatte diesen Aktionstag 2011 ins Leben gerufen, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Belange der weltweit 1,2 Mio. Seeleute zu lenken und deren Arbeit und Engagement unter teilweise kritischen Bedingungen zu würdigen. In diesem Jahr fokussierte der Tag mit dem Motto „Safety at Sea“ auf die Sicherheit der Crew an Bord. Und das zu Recht: In vielen Regionen der Welt sind Schiffsbesatzungen durch kriegerische Auseinandersetzungen und kriminelle Überfälle weiterhin zunehmend erheblichen Risiken ausgesetzt.

Natürlich ist immer die Frage, inwieweit wirklich eine Veränderung geschaffen werden kann, wenn nur ein Tag im Jahr für ein so wichtiges Thema Aufmerksamkeit schaffen soll. Das ist in erster Linie Symbolik. Aber dennoch eine wichtige. Denn das Bewusstsein muss gestärkt werden; nicht nur, aber eben auch für die Sicherheit an Bord. Darüber hinaus geht es um die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der maritimen Wirtschaft, des Schiffbaus und der Schifffahrt.

In den vergangenen Wochen und Monaten, auf Messen, Konferenzen, Veranstaltungen fiel in Gesprächen immer wieder der Begriff „Maritime (Domain) Awareness“. Dieser Begriff, 2018 von der IMO mitgeprägt, wird definiert als „the effective understanding of anything associated with the maritime domain that could impact security, safety, the economy or the marine environment”. Auch hier steht die Sicherheit an erster Stelle, aber die „Awareness“ geht darüber hinaus. Es soll ein Bewusstsein geschaffen werden, für alle Belange des maritimen Umfelds und die „Sea Blindness“ – und man möge die Vermengung deutscher und englischer Termini in diesem Text verzeihen – bekämpfen. Sea Blindness – oder Meeresblindheit – bezieht sich wissenschaftlich gesehen auf ein meteorologisches Phänomen, das auftritt, wenn Wasserdampf im Meer verdunstet und niedrige Wolken bildet, die das Sonnenlicht reflektieren und die Sicht auf den Horizont versperren. Dieses Phänomen kann für Segler gefährlich sein, da es die Annäherung an Land oder andere Hindernisse verdecken kann.

Im übertragenen Sinne wurde der Ausdruck übernommen, um die Folgen der Vernachlässigung des maritimen Bereichs zu analysieren; er bezieht sich auf die Unfähigkeit, bestimmte Themen oder Situationen zu sehen oder zu verstehen, insbesondere im Zusammenhang mit der maritimen Sicherheit, dem Umweltschutz oder dem Klimawandel.

Das sind alles große und wichtige Worte: Tag der Seefahrer, Maritime Awareness, Sea Blindness. Wie immer gilt es, diese mit Leben zu füllen. Ist der Bevölkerung außerhalb der maritimen Wirtschaft wirklich bewusst, was das Leben und Arbeiten auf See ausmacht? Dass junge Menschen oft (noch) nicht wissen, welche vielfältigen Berufsmöglichkeiten diese Branche bietet, wurde an dieser Stelle schon oft erwähnt. Dass die Industrie an einzelnen Stellen tolle und richtige Projekte initiiert, um hier entgegenzuwirken, in der Summe aber immer noch eine klare Marschrichtung fehlt, auch.

„Awareness“ – Bewusstsein – zu schaffen für die Attraktivität der Branche, aber eben auch für die Bedarfe und Herausforderungen, die nicht zuletzt immer wieder an die Politik adressiert werden müssen, bleibt also derzeit eine der großen Aufgaben aller maritimen Stake­holder.

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