Editorial aus Schiff&Hafen 03/2024: Bedingt abwehrbereit?

Kathrin Lau, Chefredakteurin

So manch einem – mir inklusive – mag bei diesen zwei Wörtern der Atem stocken. Waren sie (ohne das Fragenzeichen wohlgemerkt) und der dazugehörige Beitrag im SPIEGEL 1962 doch Auslöser für eine bis dato in der noch jungen Bundesrepublik ungeahnte Staatsaffäre und Diskussion über Landesverrat und Pressefreiheit.  Das Fazit der damaligen 17-seitigen Analyse über das Nato-Manöver „Fallex 62“, das sich auf die Einschätzung des Nato-Oberkommandos stützte: „Der Bundeswehr mangele es an Waffen, Personal und der richtigen Strategie; die westdeutschen Linien würden bei einem Angriff des kommunistischen Ostens rasch zusammenbrechen.“

Viel ist seitdem passiert – die Grenzen zum kommunistischen Osten haben sich verschoben, der Kalte Krieg und die damit verbundenen Schreckenszenarien eines 3. Weltkriegs sind vorbei. Nennenswerte Investitionen in die militärische Verteidigung des Landes schienen über lange Zeit nicht notwendig zu sein.

Vor ziemlich genau zwei Jahren hat sich diese Situation durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine dramatisch verändert. Und Deutschland hat reagiert und tut es noch. Unter anderen mit einem 100 Mrd. Euro schweren Sondervermögen, mit dem die Bundesregierung die Bundeswehr ausstatten will. Eine „Zeitenwende“, wie Bundeskanzler Olaf Scholz es nennt.

Und während sich zunächst süffisante Beiträge über die Anschaffung von langen Unterhosen für die Soldaten mehrten, steht zwei Jahre später fest: Beim Marineschiffbau hat sich (noch) nichts getan. Die Aufträge für U-Boote, Fregatten und Korvetten, die beispielsweise thyssenkrupp Marine Systems (TKMS), Deutschlands größter Marineschiffbauer, im Orderbuch hat, stammen alle noch aus der Zeit vor der Ankündigung des Sondervermögens.

Nachdem Pläne des Mutterkonzerns thyssenkrupp, die eigene Marinesparte eigenständig werden zu lassen, schon länger bekannt sind, wurde unlängst verlautbart, dass es weitere Überlegungen und Verhandlungen zum Einstieg des Bundes sowie eine Kooperation mit dem Schiffbauer Lürssen an der Weser gebe. Nach Aussage von Konzernchef Oliver Burkhard strebe man eine Konsolidierung des deutschen Marineschiffbaus an, bei der TKMS die Rolle der Konsolidierungsführerschaft einnehme. Ob es sich dabei – sofern es denn gelingt – dann um einen „Kriegsschiff-Riesen“ handeln wird, wie Springers WELT reißerisch titelte, wird sich zeigen. Die Pläne weisen die richtige Richtung auf, kommen sie eventuell aber zu spät?

Die Anforderungen an die Verteidigung und den Schutz von Menschen, Versorgung, Infrastruktur und Kapital haben 2024 eine andere Qualität als noch vor 62 Jahren. Die Anschläge auf die Gaspipelines „Nord Stream 1“ und „2“, der Ausbau der Offshore-Windenergie in einem kaum ausreichend schützbaren Raum führen uns die Vulnerabilität vor Augen. Wir sind angreifbar geworden und werden angegriffen.

Offiziell, so wurde auch im Rahmen der kürzlich zu Ende gegangenen Münchner Sicherheitskonferenz verkündet, ist das Ziel der Bundesregierung, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, erreicht. Das ist auch in Anbetracht der Drohgebärden Donald Trumps in Richtung der Nato eine wichtige Nachricht.

„Ohne Sicherheit ist alles andere nichts“, sagte Bundeskanzler Scholz in München. Recht hat er. Und es bleibt zu hoffen, dass diese Aussage auch durch konkretes Handeln und Aufträge an die Industrie handfest untermauert wird.

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